Gestern gegen halb 3 nachmittags flogen Bomben von nordkoreanischer Seite auf die kleine, südkoreanische Insel Yeonpyeong. Incheon, den vom Festland aus am nahegelegenste Ort zu dieser Insel, erreicht man von hier aus in nur einer Stunde. Von dort sind es noch einmal ca 2 Stunden mit dem Boot.
Bei dem Angriff kamen 2 südkoreanische Soldaten ums Leben. Sergeant Seo Jeong-u und Private Moon Gwang-wook waren 20 und 22 Jahre alt. Einer der beiden hätte seine 2 Jahre Millitaerzeit in wenigen Tagen beendet.
Das alles habt ihr wahrscheinlich auch in Deutschland in den Nachrichten sehen, in der Zeitung lesen können. Dadurch, dass ich gerade hier bin und die Reaktionen der Menschen und der Presse miterlebe, ist mir erst einmal aufgefallen, wie weit ich bis jetzt immer weg war von solchen Geschehnissen.
In Korea müssen alle jungen Männer 2 Jahre Pflichtmillitärdienst absolvieren. Jeder, der irgendwie einsetzbar ist, wird dazu eingezogen. Zu gross ist die Gefahr die Südkorea von nordkoreanischer Seite aus im Nacken sitzt. Das hat zur Folge, dass die meisten koreanischen Soldaten blutjung sind. Welpen, die eigentlich mit ihrer Jugend etwas besseres anzufangen wüssten als Schießen zu üben.
Irgendwie ist das Militär hier etwas anderes als wir das von Deutschland kennen. Dadurch, dass wirklich jeder dort hin muss, hat jeder schon einmal einen Bruder, engen Freund oder festen Freund dort gehabt. Man ist stolz auf die Jungen, sie tun einem aber auch leid, weil die Militärzeit hart ist und lange dauert. Nach Hause darf man nicht so oft. Viele der Jungen haben Heimweh, beim Militär sind die Kameraden die Familie, oft entstehen besondere, feste Freundschaften in der Zeit. Internet oder Handy sind nicht erlaubt, nur Briefe kann man schreiben. Der Pflichtwehrdienst hier in Korea ist, wie die Situation gestern mal wieder gezeigt hat, mit bitterem Ernst verbunden! Das Bewusstsein über den Militärpflichtdienst ist irgendwie allgegenwärtig. Es gibt Radiosender für Soldaten, Fernsehprogramme für Soldaten, man sieht öfters den ein oder anderen Uniformierten auf Urlaub in den Ubahnen und Straßen.
Ich habe mehrere Freunde, die beim Militär sind. Einer davon ist auf Yeongpyeong stationiert. Er hat dort nur eine Büroaufgabe, war ganz sicher nicht im Gefecht, aber trotzdem ist es ein merkwürdiges Gefühl. Ich weiss, er spielt jeden Tag Basketball oder läuft mit Leuten, die wahrscheinlich direkt in dem Geschehen mit beteiligt waren. Ein merkwürdiges Gefühl.
Gestern, als die Bilder von den Angriffen das erste mal durchs Fernsehn gingen, machte sich hier im Hotel unter meinen Koreanern Bestürzung breit. Die Leute hier erheben, so wie ich das erlebt habe, eher ihre Hände zum Gebet für die Verletzten und Verstorbenen, als die Faust, um nach Rache zu schreien. Es dominieren Bestürzung und Unverständnis über so viel nordkoreanischen Egoismus und Irrwahn. Auch ein bisschen Sorge und Angst. Heute sind die Zeitungen voll mit Bildern und Berichten über die Vorfälle des gestrigen Tages. Die Situation ist besorgniserregend aber nicht kritisch. Es wirkt so, als wolle Nordkorea sich einfach ein bisschen groß aufspielen und es macht mich wütend, das deshalb 2 junge Männer sterben mussten. (und wie jetzt ja noch rausgekommen ist 2 Zivilisten)